Ein Interview mit Doron Schneider

 

Doron, du bezeichnest dich selbst als Dolmetscher zwischen den Kulturen. Was meinst du damit?

Ich bin in Deutschland geboren. Als ich elf Jahre alt war, sind wir nach Israel eingewandert. In Israel habe ich recht schnell Hebräisch gelernt und musste nach der Schule, wie alle Israelis, direkt zum Militärdienst. Ich diente drei Jahre bei der Marine in einer Spezialeinheit. Seit über 20 Jahren reise ich mehrmals im Jahr nach Deutschland und halte Vorträge über Israel.

Durch diese Lebenserfahrungen in Deutschland und in Israel sowie die vielen Reisen weiß ich, wie die Deutschen und wie die Israelis “ticken”. So betrachte ich mich als Dolmetscher oder auch Brückenbauer zwischen diesen beiden Kulturen. Es hilft mir sehr dabei, den Deutschen die israelische Seite zu erklären und in meinen geschäftlichen Tätigkeiten gute und gesunde Geschäftsbeziehungen aufzubauen.

Darüber hinaus inspiriere ich gerne Menschen, indem ich ihnen eine neue Sicht von Israel vermittle. Meine Herzenssache ist, ein frisches und neues Bild von Israel aufzuzeigen!

 

Für viele Christen scheint Israel aktuell kein vorrangiges Thema zu sein. Woran liegt das?

Das ist so, weil für die meisten Christen das heutige Israel nicht das biblische Israel ist, sondern ein politischer Staat wie alle anderen. Durch unsachliche oder voreingenommene Berichterstattung in vielen Medien hat Israel so ein negatives Image, dass es auch Christen schwerfällt zu glauben, dass Gott seinen Heilsplan mit  einem Volk ausführen wird, das Medienberichten zufolge Menschenrechte verletzt, Land raubt und keine Rücksicht auf das Leben arabischer Kinder nimmt.

Medien haben großen Einfluss auf unsere Meinungsbildung und gestalten die Mainstream-Meinungen in allen Bereichen, deshalb sollten wir unsere Informationen von unvoreingenommenen Quellen und aus der Bibel holen.

 

Du hältst Vorträge über Israel in Gemeinden. Wie ist es dazu gekommen? 

Gott hat mir diesen Auftrag gegeben. Ich war als Kind sehr schüchtern und konnte nicht vor anderen Menschen sprechen. In der Schule habe ich mich deswegen fast nie gemeldet.

Als Gott mir dann diesen Auftrag gab, fühlte ich mich wie Mose, der sich auch anfänglich weigerte, weil er stotterte. Als ich Gott fragte, wie er sich das mit meiner Schüchternheit vorstellt, hat er mir keinen Aaron zur Seite gestellt wie Mose, aber er hat mich von meiner Menschenangst befreit:

Ich saß mit starkem Herzklopfen im Flugzeug auf dem Weg zu meiner ersten Vortragsreise in Deutschland. Plötzlich realisierte ich, dass ich etwas zugesagt hatte, was ich gar nicht konnte. Das Herzklopfen und die Angst davor wurden immer stärker. Ich wünschte mir fast, dass das Flugzeug abstürzen möge, damit ich nicht vor den Leuten sprechen musste.

Dann habe ich Gott gebeten, dieses Lampenfieber wegzunehmen, wenn er mich gebrauchen wolle. So geschah es dann auch. Kurz bevor ich auf die Bühne gerufen wurde, habe ich mich gekniffen, um festzustellen, ob es wahr ist oder nicht – denn ich war so ruhig, obwohl ich gleich dran war. Als ich auf der Bühne stand, merkte ich, dass Gott mich geheilt hatte und ich frei vor großem Publikum sprechen konnte.

Wenn Gott dich für etwas beruft, dann rüstet er dich auch mit allem Nötigen aus. Mose bekam Aaron an die Seite gestellt und bei mir war es die Heilung von meiner Furcht.

Schavuotfest - Holy Spirit

Auf der Bühne von ICF Zürich

Was treibt dich an, diese Arbeit schon seit über 20 Jahren zu tun? 

Die Überzeugung, dass Gott mich dazu berufen hat. Jedes Mal, wenn ich versuche, mich von diesem Auftrag loszulösen, findet Gott einen Weg, mir die Wichtigkeit dieses Dienstes auf verschiedene Weise neu zu zeigen. Es ist keine einfache Berufung. Fast jeden Monat die Familie für eine Woche zu verlassen, dann die vielen Flüge, jeden Tag ein anderes Hotel.

Übrigens lebe ich gar nicht von den Vortragsreisen, denn ich bin Geschäftsmann. Somit bleiben mir jeden Monat nur drei Wochen, um über die Runden zu kommen.

Dazu kommen auch noch viel Kritik, Angriffe und Verleumdungen von Leuten, die in Bezug auf Israel nicht meiner Meinung sind. Um all dem zu widerstehen, muss man sehr fest davon überzeugt sein, im Auftrag Gottes zu stehen – sonst hätte ich schon lange damit aufgehört.

 

Welche Beobachtungen hast du bei deinen Vortragsreisen gemacht? Gibt es Stereotype?

Man darf Israel nicht zu sehr verherrlichen. Obwohl Israel und Gottes Heilsplan mit Israel zu unserem christlichen Konzept gehören, gibt es manche “Israel-Romantiker”, die es mit ihrer Liebe zu Israel so sehr übertreiben, dass Jesus einen zweitrangigen Platz bekommt. Das ist nicht gut und hindert andere Christen daran, zu Freunden Israels zu werden.

Viele Pastoren haben mir berichtet, dass sie anfänglich keinen Israelvortrag in ihrer Gemeinde haben wollten; nicht, weil sie etwas gegen Israel hätten, sondern weil sie die Befürchtung hegten, ihre Gemeindemitglieder würden dann zu solchen “Israel-Romantikern” werden. Wenn irgendetwas mehr Priorität als Jesus in unserem christlichen Leben bekommt, seien es Themen wie Geistesgaben oder Traditionen oder Israel, dann läuft irgendwann etwas schief mit unserem Glauben.

Jesus muss immer im Zentrum bleiben. Genau wie der Stern ganz oben auf einem Weihnachtsbaum sitzt, danach kann man den Baum weiter schmücken wie man will. Bei manchen Christen hängt das Thema Israel ganz oben am Baum und bei anderen etwas tiefer.

 

Was ist aus deiner Sicht das häufigste Missverständnis über Israel unter Christen? 

Eines der Missverständnisse liegt darin, dass Christen in Israel nur ihren “großen Bruder” sehen und dabei übersehen, dass die Gemeinde Jesu und Israel zusammengehören. Diese Zusammengehörigkeit hat Gott sogar schon in der Schöpfungsgeschichte vorausgesehen.

Wenn wir die Schöpfungsgeschichte einmal aus einer weiteren, einer anderen Perspektive betrachten, dann bekommen wir plötzlich ein Bild über das, was Gott mit Israel und der Gemeinde heute und morgen macht:

„Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Gehilfin machen, die ihm entspricht! Da ließ Gott der Herr einen tiefen Schlaf auf den Menschen fallen; und während er schlief, nahm er eine seiner Rippen und verschloss ihre Stelle mit Fleisch. Und Gott der Herr bildete die Rippe, die er von dem Menschen genommen hatte, zu einer Frau und brachte sie zu dem Menschen.“ (1.Mose 2,18,21-22)

So hat Gott auch das Volk Israel für eine gewisse Zeit in einen „tiefen Schlaf“ fallen lassen. Paulus schildert dies in Römer 11,25: „Blindheit ist Israel zum Teil widerfahren, so lange, bis die Fülle der Heiden eingegangen ist.“ Anders übersetzt: „bis die volle Zahl von Menschen aus anderen Völkern zum Glauben gekommen ist.“

Während Adam schlief, formte Gott aus Adams Rippe Eva. So formt Gott auch in unseren Tagen seine Gemeinde, während das Volk Israel sich noch in dieser „Blindheit“ für ihren Messias Jesus befindet.

Genauso, wie Gott Adam erst dann aus seinem tiefen Schlaf holte, als Eva „fertig geformt“ war, wird er erst dann, wenn die „Fülle der Heiden“ erreicht – also die Gemeinde fertig geformt ist – seinem Volk die Blindheit für ihren Messias Jesus wieder wegnehmen – und keine Minute früher. Und dann geht es mit Sacharja 12,10 weiter: „… und sie werden auf mich [Jesus] blicken, den sie durchbohrt haben.“

Genauso, wie es damals war, als Adam dann auf „seine Eva“ blickte: „Da sprach der Mensch: Das ist ja Gebein von meinem Gebein und Fleisch von meinem Fleisch!“  Wir gehören zusammen!

 

Was ist die entscheidende Frage, wenn man sich als Christ mit Israel auseinandersetzt?

Man darf Israels Politik kritisieren, aber das darf nicht auf die geistliche Ebene übergehen. Gott hat nun mal das Volk Israel auserwählt, ob es uns passt oder nicht. Und auch, wenn das heutige Israel als Volk Gott nicht gehorsam ist, bleibt es weiterhin Gottes auserwähltes Volk, und er wird seinen Heilsplan mit ihm zu Ende führen. Sacharja 12,10 sagt, dass Jesus nach Jerusalem zurückkehren wird, und dann wird das Volk Israel auf Jesus „schauen, den sie durchbohrt haben“.

Damit sich dieser Bibelvers erfüllen kann und wird, führt Gott sein Volk in unseren Tagen aus allen Teilen der Welt zurück nach Israel und wird seinen Heilsplan mit Israel erfüllen. Das müssen wir auch dann glauben können, wenn die israelische Politik uns nicht immer schmeckt. Aber hier machen viele Christen den Unterschied nicht, und ihre Kritik am Staat Israel hindert sie daran zu glauben, dass die biblischen Verheißungen mit dem heutigen Israel erfüllt werden können.

 

Wenn man von Israel spricht, ist es tatsächlich nicht immer ganz klar, ob das biblische oder der Staat Israel gemeint ist. Kann, sollte man das trennen? 

Den Staat Israel und das biblische Israel kann man nicht trennen. Denn die biblischen Verheißungen gehen heute durch den Staat und seine Politiker in Erfüllung. Sogar Christen können bei der Wiederherstellung Israels mithelfen, denn das Wort Gottes verheißt: Wenn das jüdische Volk wieder in sein Heimatland zurückkehrt, werden „Fremde“ die Mauern Israels bauen (vgl. Jesaja 60,10).

Hierbei sehe ich mich wieder als Brückenbauer zweier Kulturen, indem ich es deutschen Investoren ermögliche, bei der Wiederherstellung Israels mitzuwirken. Als Christen können wir mit dem Herzen an der Seite Israels stehen, aber auch ganz praktisch Anteil an der prophetischen Wiederherstellung Israels nehmen. So gehen der Staat Israel und das biblische Israel Hand in Hand zusammen.

 

Wie du schon sagtest, scheint es schwierig zu sein, zu Israel an Informationen zu kommen, die keiner bestimmten Agenda folgen. Welche Herangehensweise empfiehlst du?

Es gibt einige Medien, die unvoreingenommen  über Israel berichten, wie Israelnetz, Israel-Heute oder meinen kostenlosen Rundbrief. Bei meinen Berichten geht es hauptsächlich um ein biblisches und prophetisches Verständnis der heutigen Ereignisse in Israel und im Nahen-Osten.

 

Zum Abschluss: Welche Gedanken möchtest du den Leserinnen und Lesern mit auf den Weg geben? 

Erstens, ein Freund Israels zu sein heißt nicht, ein Feind der Araber oder der Palästinenser zu sein. Gott hat einen Heilsplan für beide Völker, weil er beide liebt.

Zweitens, ein Freund Israels zu sein heißt auch nicht, dass man alles befürworten oder bejubeln muss, was der Staat Israel macht; sondern die echten Israelfreunde stehen hinter Israel, weil Gott hinter Israel steht. Sie lieben Israel, weil Gott es liebt.

Gott hat uns als Person auch schon geliebt, als wir ihm noch ungehorsam waren. Auch nachdem wir unser Leben Jesus übergaben und dann ab und zu wieder ungehorsam waren, hat er uns nicht verstoßen, sondern uns geliebt, wie ein guter Vater, der seine Kinder immer liebt. So hat Gott auch Israel nie verstoßen und tut es auch jetzt nicht, wenn die heutigen Israelis zum großen Teil Gott ungehorsam sind. Er wird ihnen bald die Decke vor den Augen wegnehmen.

Das wird bald geschehen, denn die biblischen Verheißungen der Wiederherstellung Israels sind heute klar und deutlich überall in Israel sichtbar.

Gott lässt auch sein geistliches Volk, die wiedergeborenen Christen, an seinem Heilsplan mit Israel teilnehmen. Viele christliche Organisationen haben Juden geholfen wieder nach Israel zurück zukehren, wie der Prophet Jesaja voraussagte: „Siehe, ich will meine Hand zu den Heiden hin erheben und für die Völker mein Banner aufrichten. Dann werden sie deine Söhne in den Armen herbringen und deine Töchter auf der Schulter hertragen.“ (Jesaja 49,22)

Weiter voraussagt Jesaja: „Und Fremde werden deine Mauern bauen.” (Jesaja 66,10)
Damit sind die Immobilien in Israel gemeint, die von „Fremden”, von den Christen aus dem Ausland, die mit ihren Investitionen und Darlehen diese Verheißung heute und morgen erfüllen.

Schavuotfest - Weizenernte in Israel (Foto: Shutterstock)