So wurde bereits 300 v. Chr. eine erste Delegitimierungs-Schriftrolle veröffentlicht, die als „Die Lepra-Verschwörung” bezeichnet wurde und von einem griechischen Philosophen namens Hekataios von Abdera (ein Zeitgenosse von Alexander dem Großen) veröffentlicht wurde. Er schrieb, dass die Israeliten Ägypten nie verlassen hätten, sondern aus dem Land vertrieben wurden.
Eine neue Religion für die Welt
Das größte Bedürfnis, den Gründungsethos des jüdischen Volkes in Frage zu stellen, entstand höchstwahrscheinlich zu dem Zeitpunkt, als die Thora im 3. Jahrhundert v. Chr. ins Griechische übersetzt wurde („Die Septuaginta”). Denn plötzlich war die neue Religion bzw. der Glaube an einen Gott, an den Mose und die Israeliten glaubten, den Weisen der Welt ausgesetzt, denen das neue Konzept nicht passte und die sich daher gedrängt fühlten, eine Gegengeschichte zu verbreiten.
Der Erste, der sich hierbei identifizierte, war wahrscheinlich Manetho, ein hellenistischer Priester, der zu dieser Zeit in Ägypten lebte. Manetho erneuerte die Geschichte der Leprakranken der Antike und wies auch darauf hin, dass die Israeliten sich zunächst nicht in Ägypten niederlassen durften, sondern dort eindrangen, bis es den Ägyptern gelang, sie zu überwinden und zu deportieren.
Dann im zweiten Jahrhundert vor Christus behauptete der ägyptische Schriftsteller Lysimachos in seinen Schriften Folgendes:
… aufgrund der bedürftigen Juden sei ein Ernteproblem eingetreten. Bokchoris, König (Pharao) der Ägypter, rief wegen des Notstandes im Amun-Tempel das Orakel an, um über das weitere Vorgehen Auskunft zu erhalten. Amun gab diesbezüglich den Auftrag, alle Heiligtümer von den Menschen zu „reinigen“, die unrein und nicht religiös seien und diese in unbewohnte Gebiete umzusiedeln.
Diejenigen aber, die an Aussatz und Ausschlag litten, sollten ertränkt werden. Bokchoris habe deshalb an die ägyptischen Soldaten den von Amun erhaltenen Auftrag befohlen und die Weisung erteilt, die mit Aussatz und Ausschlag behafteten Personen in Blei gewickelt im Meer zu ertränken.
Nach dieser Tat schlossen sich die in der Wüste befindlichen „Gruppen der Unreinen“ zusammen und riefen in der Nacht die Götter um Beistand an, damit sie von ihrem Schicksal befreit würden. Am nächsten Morgen gab ein „gewisser Mose“ den Rat, von diesem Ort in eine bewohnte Gegend zu ziehen. Auf die Ratschläge der dortigen Bewohner sollten sie aber nicht hören und die dort erbauten Tempel niederreißen. (*)
Josephus Flavius lehnte diese These verurteilend ab und schrieb:
„Wen ich … noch bringen will, das ist Lysimachos, der dasselbe Lügenthema sich vornimmt wie die vorgenannten, das der Aussätzigen und Verunstalteten, der jedoch ihre Unglaubwürdigkeit mit seinen Fiktionen noch übertrifft, woran klar wird, dass er aus blankem Hass schreibt. Er sagt nämlich, unter Bokchoris, König (Pharao) der Ägypter, habe das Volk der Juden, die Aussatz und Ausschlag hatten und mit sonstigen Krankheiten behaftet waren, in den Heiligtümern Zuflucht gesucht und um Nahrung gebettelt.“ (**)
Der griechische Historiker Siculus schrieb auch über “Die Lepra-Verschwörung” von Hekataios, dessen Version dann wiederum von dem antiken Autor und Antijudaist Apion erweitert wurde, indem nicht nur die Aussätzigen vertrieben wurden, sondern auch Tausende von blinden Menschen, Lahme und mit anderen Krankheiten infizierte Menschen. Apion hat auch behauptet, dass die Juden Menschen opfern und den Kopf eines Esels verehren.
Seneca nannte die Juden „ein verfluchtes Volk“ und der römische Historiker und Senator Tacitus verurteilte vehement den “von Mose geschaffenen Kult“ und behauptete, es widerspräche allem, was den Menschen bisher bekannt war:
„Damit er sich des Volkes für die Zukunft versichere, gab Moses ihnen neue Kultbräuche, die im Gegensatz stehen zu denen aller übrigen Menschen. Unheilig ist dort alles, was bei uns heilig, andererseits ist erlaubt bei ihnen, was für uns als Schande gilt.“ (***)
Die Thora bedroht eine Kultur
Auf den ersten Blick scheint die Intensität der Besessenheit, die Geschichte des Exodus zu diskreditieren unverständlich, aber wenn man es mit damaligen weltlichen Augen betrachtet, kann man ihr Motiv verstehen. Dieser „neue Glaube“ und Ethos des israelitischen Volkes war attraktiver und die Thora bedrohte die Kulturen der umliegenden Völker – nicht mit dem Schwert, sondern mit ihrer Idee. Und dieser neue israelitische Glaube und die Religion gewannen schließlich ihre “Konkurrenten”.